Da war ein Stuhl. Ein roter. Aus Samt. Während dem Ablad gesellten sich eine Liege und ein Sofa dazu. Ebenfalls rot und aus Samt, ein bisschen im Bretz-Stil. Beim Anblick drehen sich ein paar Gedankesblitze um den ehemaligen Besitzer. Was wollte er? Seine Wohnung räumen? Ist er gestorben oder hatte bei der Wohnungsräumung niemand Zeit für ihn, das Mobiliar auf Tutti, Ricardo oder in Facebook-Börsen auszuschreiben? War sein Auto zu klein, um das Samtige vor dem Wegschmeissen in die Brocki zu bringen? Vielleicht hatte er einfach keine Lust mehr auf Samt der Ex und seine Freundin sowieso nicht, zu der er eben eingezogen ist. Oder es herrscht einfach Frühlings-Ausmistete – wie jedes Jahr.
Neben das Rot passt das anthrazit farbige Muitoni anmutende Ecksofa. In einer nächsten Box warten ein antikes Kinderlaufgestell aus Holz mit farbigen Rädchen zum Drehen. Oldschool, aber schön zusammenklappbar und nicht aus Kunststoff, und zuoberst liegt eine Dakine-Snowboard-Tasche auf Rädern. Das Exemplar zuhause hat keine Räder. Warum kommen sechs nigelnagelneue Rotweingläser in Originalverpackung auf die Waage der Sammelstelle? Er habe eben zu viele Gläser, seine Familie sei kleiner geworden. Nicht dran denken, warum, aber der Kunde ist aufgestellt. Ein Anhänger fährt vor voll mit Elektrowaren, die noch kein Elektroschrott sind. Ein Flachbildschirm-TV, ein Drucker, ein Plattenspieler und ein Tischgrill. Er habe schweren Herzens sein Büro aufgelöst, deshalb bringe er es direkt ins Recycling. Doch er versichert etwas melancholisch, es funktioniere noch alles.
Seien wir ehrlich mit uns und zu dem, was den Frühlingsputz zusätzlich erschwert: Wie oft ist es obermühsam, funktionierende Sachen zu fotografieren, auszuschreiben oder in der Brocki vorbeizubringen – um sich auf Handel, Gespräche und Korrespondenz einzulassen, wie gut der Zustand wirklich sei? Gebraucht eben. Aber funktionstüchtig und manchmal sogar noch Jahrgang 2022.
Doch unsere Sammelstelle ist keine Brocki und weder Tauschbörse oder Fundus für solche, die ein Schnäppchen gratis suchen. Wir sind ein RECYCLING-DIENSTLEISTER. Der Kunde bezahlt schliesslich seine Entsorgungsware nach Gewicht oder Kubik, damit wir sie umweltgerecht entsorgen und Sekundärrohstoffe zurückgewinnen können. So schwer es manchmal auch für uns ist, was Menschen an Hochwertigem wegwerfen: Es kostenlos zu behalten, zu stehlen oder noch schlimmer, weiterzuverkaufen, das geht gar nicht. Was aber geht: Die Weingläser, die nigelnagelneuen für den Roten, dem Kunden höflich fragend abkaufen. Das müsste aber ganz rassig gehen, ohne Handel und Gegenfragen, unsere Sammelstellen sind so schon überbelegt und ein effizienter Aufenthalt obligatorisch.
Also gilt die Regel: An die Sammelstelle kommt nur der, wer was zu entsorgen hat, also keine Langfinger oder Brocki-Messie-Händler. Und so schön der samtige Sessel war, der Besitzer wollte ihm kein neues Leben ermöglichen. In dem Fall auch nicht bei uns. Sein Entscheid. Und unsere Dienstleistung.